Tarifkonflikt durch Profilneurosen?
Seit dem 1.10.2009 besteht nun tarifloser Zustand für sämtliche Reinigungskräfte im Gebäudereiniger-Handwerk, die nach dem 1.10.2009 eine neue Beschäftigung beginnen bzw. annehmen.
Eine ähnliche Situation, die für die Angestellten im Gebäudereiniger-Handwerk seit 2004 bestand hat. Fünf Jahre tarifloser Zustand bedeutet heute, dass ein Objektleiter mit Personalverantwortung bei einem 10-12 Stunden Tag viel weniger verdient als ein angelernter Glasreiniger, der produktiv arbeitet. Dies ist jedoch ein anderes Thema.
In den vergangenen Tagen überschlugen sich in der Presse die Meldungen der Gewerkschaft IG-Bau und des Bundesinnungsverbandes für das Gebäudereiniger-Handwerk. Erste Warnstreiks wurden Medienwirksam von der IG-Bau in Szene gesetzt. Aussagen der IG-Bau sollen dabei Unsicherheit unter den Reinigungskräften schüren und neue Mitglieder bringen. Entsprechende Meldungen werden vom Bundesinnungsverband dementiert und nur am Rande wahrgenommen. Schließlich sind Arbeitnehmer mit Trillerpfeifen, Parolen rufend und streikend medienwirksamer, als ein Dementi der Arbeitgeber.
Was ist nun Fakt und was passiert derzeit im Reinigungsgewerbe?
Dazu muss erst einmal festgelegt werden, was für Tarifverträge gekündigt wurden.
Gekündigt wurde der Mindestlohntarifvertrag (Lohngruppen 1 und 6) vom 1. März 2008 und der Lohntarifvertrag (Lohngruppen 1 bis 9) vom 1. März 2009. Die Allgemeinverbindlichkeit des Mindestlohntarifvertrages ist ebenfalls seit dem 1. Oktober 2009 außer Kraft. Das heißt zum 01.10.2009 gibt es keinen Tariflohnvertrag für Neuverträge.
Ungekündigt und somit noch gültig ist, der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag vom 1. April 2004 und der nicht allgemeinverbindliche Tarifvertrag über ein zusätzliches Urlaubsgeld vom 7. September 2007.
Der Unterschied liegt letztendlich beim Datum des Arbeitsvertrages. Diesen muss man unterscheiden bei Beschäftigen, die schon vor dem 1. Oktober 2009 unter den allgemeinverbindlichen Mindestlohntarifvertrag (Lohngruppe 1 oder 6) gefallen sind und Beschäftigten, die nach dem 1. Oktober 2009 eingestellt werden.
Reinigungskräfte mit einem Arbeitsvertrag, vor dem 1.Oktober 2009 haben eine sogenannte Nachwirkung des Tarifvertrages. Hier bleibt der Tariflohn solange bestehen, solange das Arbeitsverhältnis unverändert fortgeführt wird. Eine Änderung gibt es erst, wenn sich die beiden Tarifparteien geeinigt haben oder sich das Arbeitsverhältnis (Arbeitnehmer/Arbeitgeber) maßgeblich ändert. Hier heißt es einfach aufpassen, wenn der Arbeitgeber nun irgendwelche arbeitsvertraglichen Änderungen vorlegt.
Dies gilt für alle Reinigungskräfte im Gebäudereiniger-Handwerk. Es ist dabei unbedeutend ob man als Mitarbeiter auch Gewerkschaftsmitglied der IG-Bau ist oder der Arbeitgeber der Gebäudereiniger-Innung angehört.
Neuer Vertrag ins Unglück?
Schlecht sieht es derzeit für Reinigungskräfte aus, die nach dem 01.10.2009 einen Arbeitsvertrag angeboten bekommen oder einen Arbeitsvertrag benötigen. Denn ab diesem Datum gilt der alte Lohntarifvertrag und seine Nachwirkung nicht mehr. Es gibt lediglich eine gesetzliche Untergrenze, die von sittenwidrigem Lohn spricht, wenn dieser 30% unter dem bisherigen ortsüblichen Tariflohn liegt. Bei dem bisherigen Mindestlohn von 8,15 € (West) müssten demnach die Gerichte Stundenlöhne unter 5,71 € für sittenwidrig halten.
Allerdings, ist ein heute vereinbarter Lohn nur solange gültig, bis ein neuer Lohntarifvertrag geschlossen und Allgemeinverbindlich wird.
Tatsache ist, egal welche Behauptungen und Gegendarstellungen man liest oder hört, auf dem deutschen Mark brodelt es. Als ich im September 2009 auf der Gebäudereinigermesse in Berlin war, konnte man schon einige „Ideen“ und „Lösungen“ für den Tarifkonflikt auf Seiten der Arbeitgeber wahrnehmen.
Bei Vorstellungsgespräche mit Reinigungskräften, die auf Arbeitssuche sind, wurden diese Lösungen und Ideen der Arbeitgeber leider auch schon bestätigt.
In der Zwischenzeit werden tatsächlich Arbeitsverträge mit Stundenlöhne weit unter 8,15 € den Arbeitssuchenden vorgelegt. Die Rede ist derzeit im Westteil der Republik von Stundenlöhnen zwischen 6,00 und 7,00 €. Diese Stundenlöhne werden dabei nicht nur Reinigungskräften angeboten, die bisher in der Lohngruppe 1 beschäftigt waren, sondern auch höher qualifizierte Reinigungskräfte, die zum Beispiel für Glasreinigungsarbeiten vor dem 01.10.2009 einen viel höheren Anspruch (10,80 €) hatten.
Reinigungskräfte die befristete Verträge haben müssen derzeit um eine Verlängerung bangen. In unserer Branche gibt es jetzt schon Anzeichen, dass solche Verträge beendet werden und man dann lieber neue Kräfte sucht, die für weniger Geld arbeiten. Schließlich kann man als Arbeitgeber dabei ganz schnell einige Hundert Euro pro Mitarbeiter im Monat einsparen, was bei den derzeitigen Erträgen letztendlich dem Unternehmen gut tun kann.
Das ist die traurige Realität, die es von der Seite der Arbeitgeber zu berichten gibt.
Auftraggeber kennen aucu Tarifverträge
Nun sind unsere Kunden auch nicht auf den Kopf gefallen und schlau genug, diese Situation zu erkennen und zu bewerten. Erste Anfragen und Forderungen zur Preissenkung wurden auch an mich schon herangetragen. Unsere Kunden möchten auch sparen und somit auch von der jetzigen prekären Tarifsituation profitieren. Unsere Auftraggeber haben in Vergangenheit, genauso wie die Gebäudereiniger, auf den Tarifkonflikt geachtet. Schlagartig steigen die Anfragen und Ausschreibungen zum Ende des Jahres. Ziel: Kosteneinsparung.
Ähnlich wie vor zwei Jahren ist nun wieder die Situation eingetreten, wo keiner weiß auf welche Grundlage man am besten kalkuliert.
Okay, diverse Scharlatane wissen es schon. Sie kalkulieren mit der Untergrenze um auf Gedeih und Verderb an Aufträge zu kommen. Es geistern jetzt schon Stundenverrechnungssätze weit unter 12,50 € auf dem Markt herum, was einem zukünftigen Auftraggeber natürlich gelegen kommt. Damit es nach einer Einigung bei den Tariflöhnen für den Auftraggeber zu keiner bösen Überraschungen kommt, wird für das erste Vertragsjahr schon mal eine Preiserhöhung ausgeschlossen. Dienstleister die nicht weiterdenken wollen, unterschreiben das.
Dazu stellt sich dann die Frage, was passiert mit solchen Billiganbieter? Sicherlich wird es bei einem neuen Tarifabschluss wieder eine Allgemeinverbindlichkeit angestrebt. Mit der Allgemeinverbindlichkeit kommt dann auch wieder das Entsendegesetz automatisch zum tragen, denn dies gilt schließlich auch weiterhin, nach dem 01.10.2009.
Vorstellen kann man sich derzeit nur, dass diverse günstig Anbieter das Risiko einer Kontrolle auf sich nehmen und ihre Mitarbeiter erst einmal unter Tarif weiterbezahlen. Schließlich sind bei Stundenverrechnungssätze von ca. 12,50 € kaum Löhne von über 8,15 € abzudecken.
Und nun?
Nicht nur die Arbeitnehmer sind durch die hirnlosen Aktionen der IG-Bau verunsichert, auch die Arbeitgeber haben als Auftragnehmer nun ein richtiges Problem.
Die Arbeitgeberverbände hatten realistisch betrachtet ein faires Angebot vorgelegt. Der Bundesinnungsverband hat angeboten, die Löhne der Arbeitnehmer im Westen um 3,0 % ab dem 01.01.2010 und im Osten um 3,6 % ab dem 01.04.2010 anzuheben.
In der aktuellen Wirtschaftslage 8,7% Lohnerhöhung zu fordern, war und ist von der IG-Bau idiotisch und kurzsichtig. Während einer Wirtschaftskrise, bei steigender Kurarbeit und hoher Arbeitslosigkeit mit überzogenen Forderungen einen Tarifkonflikt zu provozieren, lässt vermuten, dass da einzelne Leute der IG-Bau eine Profilneurose ausleben möchten.
Oder um es nett auszudrücken: „Wer in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie die IG BAU stur an einer Forderung von 8,7 Prozent Lohnerhöhung festhält, der verkennt nicht nur die Realität, sondern gefährdet auch wissentlich Arbeitsplätze.”
Was wäre wenn?
Selbst wenn Lohnerhöhung von 8,7% zur Einigung geführt hätte oder noch kommen würde, würde dies Arbeitsplätze im Gebäudereiniger-Handwerk kosten. Denn die meisten Auftraggeber können und wollen eine solche Erhöhung nicht stemmen. Die Rechnung ist bei solch einem Tarifabschluss recht einfach. Die Preise werden entsprechend beim Kunden erhöht und anschließend werden Möglichkeiten gesucht, um die gestiegenen Kosten wieder zu senken. Das heißt ganz schnell Reduzierung der Arbeiten und Leistungen beim Auftraggeber.
Fallen Arbeiten weg, werden weniger Mitarbeiter benötigt. Um es deutlich zu machen. Ein Objekt mit 10 Stunden am Tag zum alten Preis müsste bei den wahnwitzigen Vorstellungen der IG-Bau mit rund 9 Stunden pro Tag erledigt werden, um den Preis konstant zu halten. Reduzierung der Stunden ist dann gleichbedeutend mit Reduzierung der Arbeitskräfte. Diese Aussage ist keine fiktive Idee, sondern die traurige Erfahrung aus der Vergangenheit.
Ziele der IG-Bau
Ein anderes Ziel als Mitgliederfang für die IG-Bau ist in der ganzen Situation nicht zu erkennen.
Ich gehe sogar noch weiter, die IG-Bau ist einfach unterbelichtet, wenn sie in der heutigen Situation einen „sauberen“ Tarifvertrag kündigt und Haus und Hof öffnen, dass neue Reinigungskräfte über 2,00 € je Stunde weniger erhalten als bisher. Dabei noch zusätzliche Sche….hausparolen in Umlauf bringt, um neue Mitglieder zu werben.
Aus meiner Sicht hätte der Tarifkonflikt ohne Kündigung des Tarifvertrages beendet werden müssen.
Reinigungskräfte die heute einen Arbeitsvertrag mit 6,00 € je Stunde unterschreiben müssen um Ihre Familie zu ernähren und sich dann als Mitglied der IG-Bau einschreiben, sollten wissen dass die IG-Bau auch nicht umsonst ist. Von den 6,00 € brutto je Stunde gehen dann schon mal über 7 Cent an diese Scharlatane. Die IG-Bau verlangt von ihren Mitglieder schließlich 1,2% des Bruttolohnes im Monat als Mitgliedsbeitrag.
Der Bundesinnungsverband hat es etwas gemäßigter in einem Schreiben an seine Innungsmitglieder ausgedrückt.
Es ist zynisch, Löhne von 6,00 € zu ermöglichen und zu beklagen, wenn 8,39 € pro Stunde juristisch abgesichert längst vereinbart sein könnten, wenn es nach den Arbeitgebern in der Gebäudereinigungsbranche geht. Eine Politik, wonach schlechte Zeiten und durch Tarifkündigung selbst verursachte schlechte Arbeitsbedingungen gut für Gewerkschaften sind und einer Mitgliederanwerbung dienen können, ist unverantwortlich!
Dem Stimmt ich absolut zu.
Aufforderung
Die permanenten Querelen sind anstrengend und kontraproduktiv!
Meine Aufforderung an die IG-Bau und dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger- Handwerks: Setzt euch schleunigst wieder an euren Verhandlungstisch und einigt euch!
Die IG-Bau sollte schleunigst aufhören Streiks zu organisieren, sondern sich mit realistischen Forderungen in eine faire Verhandlung einfinden.
IG-Bau und Bundesinnungsverband, bringt einen neuen Tarifabschluss schon im November / Dezember 2009 auf den Weg, damit wir nicht im Chaos versinken.
Links zum Thema:
Bundesinnungsverband
IG-Bau
Berliner Morgenpost
Der Westen
Bundesagentur für Arbeit
RP-Online
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